Kulturarbeit im Rahmen der Strategieumsetzung

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Wissen Sie eigentlich wie Ihr Unternehmen tickt? Haben Sie sich schon mal gefragt, welche Eigenheiten Ihr Unternehmen hat? Diese Frage mit Kolleg/innen diskutiert und darauf spannende Antworten erhalten?

Dazu eine kleine Geschichte: Mit einigem Bangen sieht Peter Long seinem Gespräch mit dem Geschäftsführer über ‹seine Zukunft im Unternehmen› entgegen. Peter Longs Aufgabe als neu eingestellter Manager war die Leitung eines sehr wichtigen Projektes. Es stellten sich aber bald zunehmende Schwierigkeiten ein, bis schliesslich das gesamte Projekt als absolut gescheitert erklärt werden musste. Und nun das Gespräch! Nach einer Diskussion über seine schwache Leistung in seiner ersten Aufgabe wird der Stellvertretende Geschäftsführer herangezogen. Nicht – wie es Peter Long erwartet hätte – um zum Axtschlag auszuholen, sondern um dafür Sorge zu tragen, dass sich Peter Long in einem anderen Projekt bewähren kann. Peter Long registriert voller Freude, dass er eine zweite Chance bekommt. Und diesmal klappte es: Long wurde später einer der meist geschätzten Leute im Unternehmen. Die ‹zweite Chance› ist ein feststehender Grundsatz bei OZCO.[1]

Das ist ein Beispiel für einen Puzzlestein im gesamten Spektrum der Unternehmenskultur. Wie pflegen Unternehmen mit Misserfolgen ihrer Mitarbeitenden umzugehen? Neben diesem einen Puzzlestein gibt es unzählige andere Puzzlesteine, die das ‹Verhalten des Unternehmens› bestimmen.

Gerade im Rahmen der Strategieumsetzung ist die Frage nach der Unternehmenskultur eine unverzichtbare. Die Praxis zeigt immer wieder, dass die Umsetzung neuer strategischer Orientierungen durch die bestehende Unternehmenskultur blockiert werden kann.

Wir laden Sie ein, gemeinsam mit uns nachzudenken, wie Ihr Unternehmen ‹tickt› und sich die Frage zu stellen, was das für Konsequenzen im Prozess der Strategieumsetzung hat.

Die Bedeutung von Kulturarbeit im Rahmen der Strategieumsetzung

Ectaveo arbeitet mit Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen und Sektoren zusammen. Mit Verbänden im Bildungsbereich, mit Privatschulen, mit kleinen und grossen Dienstleistungsunternehmen, mit Privatbanken oder auch mit Industriebetrieben. In der täglichen Arbeit mit unseren Kunden in den unterschiedlichsten Unternehmen sehen wir Tausende solcher Puzzlesteine der Unternehmenskultur – manche dieser Puzzlesteine mögen wir, manche finden wir irritierend, manche finden wir nachahmenswert, manche finden wir veraltet, manche überraschend.

Was wir finden, zählt nicht. Sondern wie Sie als Unternehmen in Strategieumsetzungsprozessen mit diesen Puzzlesteinen umgehen oder eben nicht umgehen – das interessiert! Gelingt es Ihnen, diese Puzzlesteine zu einem Ganzen zu fügen und ein Bild zu erhalten, das zeigt wie Ihr Unternehmen tickt? Sind Sie bereit, das Ticken des Unternehmens ernst zu nehmen und im Strategieumsetzungsprozess zu berücksichtigen? Gefällt Ihnen denn, wie Ihr Unternehmen tickt?

‹Unternehmenskultur› – eine begriffliche Annäherung

  • Unternehmenskultur umfasst die gemeinsamen Werte, Orientierungen und Handlungsmuster einer Organisation.
  • Unternehmenskultur ist im Wesentlichen implizit und liegt als selbstverständliche Annahme dem täglichen Handeln der Mitarbeitenden zugrunde.
  • Unternehmenskultur vermittelt Sinn und Orientierung in einer komplexen Welt, hilft Ereignisse im Unternehmen zu bewerten und überhaupt wahrzunehmen.
  • Unternehmenskultur prägt nicht nur die Kognition, es geht auch um Emotionen und umschreibt, was im Unternehmen mit Geduld ertragen wird und was aggressiv zurückgewiesen wird.
  • Unternehmenskultur ist das Ergebnis eines historischen Lernprozesses im Unternehmen. Wege des Denkens und Problemlösens zeigen sich im Laufe der Zeit als ‹gut› oder ‹schlecht›.
  • Unternehmenskultur wird in einem Sozialisationsprozess vermittelt und nicht bewusst gelernt.

‹Kulturwandel› – Möglichkeiten und Grenzen

Die Unternehmenskultur – dieses so schwer fassbare Set an Werten, Normen und Regeln, das zu einem grossen Teil unbewusst das Handeln der Organisationsmitglieder mitbestimmt – hat einen wesentlichen Einfluss auf das Thema der Strategieumsetzung. Verknüpfen wir die Strategieumsetzung mit dem Konstrukt der Unternehmenskultur, so wirft das die Frage auf, ob die Unternehmenskultur kompatibel mit den neuen strategischen Ausrichtungen eines Unternehmens ist. Oder anders ausgedrückt: Gibt es Facetten der Unternehmenskultur, die blockierend oder fördernd für die neue strategische Orientierung sind?

Wenn die neue strategische Ausrichtung eine Veränderung der Unternehmenskultur erfordert – eben weil die bestehenden Denk- und Handlungsmuster blockierend wirken – dann ist man bei einer der zentralen Fragen angelangt:
‹Ist es denn überhaupt möglich, die Unternehmenskultur zu verändern und wenn ja, wie?›

Gerade in der Frage des Kulturwandels werden in der Fachliteratur sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Versucht man eine grundsätzliche Einteilung, so kann man von drei Perspektiven ausgehen. Auf der einen Seite gibt es die Kulturingenieure, welche die Annahme zugrunde legen, dass Unternehmenskulturen ähnlich wie andere Führungsinstrumente systematisch aufgebaut und dementsprechend planmässig verändert werden können. Hinter dieser Annahme verbirgt sich aus theoretischer Sicht ein sehr technokratisch-mechanistisches Organisationsverständnis, das wohl zeitlich überholt ist. Den entgegengesetzten Pol bilden die Kulturalisten. Sie betrachten die Unternehmenskultur als eine organische gewachsene Lebenswelt, die sich jedem gezielten Herstellungsprozess entzieht. Damit rücken sie die Unternehmenskulturen letztlich in den Status eines Naturereignisses – so als müssten diese als fatalistische Geschehnisse hingenommen werden. Wenn wir uns jedoch nochmals vergegenwärtigen, dass Unternehmenskulturen die schwer fassbaren Denk- und Handlungsmuster der Organisationsmitglieder widerspiegeln, dann erhalten die Kulturalisten eine Gegenposition. Denn wenn Menschen grundsätzlich in der Lage sind, sich ihre eigenen Normen und Orientierungsmuster bewusst zu machen, über sie nachzudenken und gegebenenfalls zu ändern, dann sind auch Unternehmenskulturen im Prinzip einem willentlichen Wandel zugänglich. In diesem Sinne lässt sich eine dritte Position mit dem Stichwort Kurskorrektur umschreiben, die genau an diesem Punkt ansetzt. Die Position der Kurskorrektur akzeptiert die Idee des geplanten Wandels im Sinne des Initiierens einer Veränderung in einem grundsätzlich offenen Prozess.

Geht es darum diesen Prozess zu gestalten und den Kulturwandel zu initiieren, so empfiehlt sich ein Vorgehen in drei Schritten:
1. Diagnose
2. Beurteilung
3. Massnahmen

1. Der erste und wichtigste Schritt einer solchen Kulturentwicklung ist die Beschreibung und die Bewusstmachung der bestehenden Kultur im Unternehmen. Nachdem es sich dabei im Wesentlichen um unsichtbare Grössen handelt, lässt sich diese nicht einfach so fassen, sondern es sind umfassende Deutungsleistungen zu erbringen. Wichtig ist es dabei, mit der Rekonstruktion den ‹interessierenden› Teil einer Unternehmenskultur zu reflektieren und in seiner Wirkung zu diskutieren.

2. In einem zweiten Schritt ist der Veränderungsbedarf der Unternehmenskultur abzuklären. Es sind Fragen zu beantworten wie: Wo wirkt diese Kultur blockierend? Wo widerspricht sie neuen strategischen Orientierungen? Eine solche kritische Bewertung ist die Grundlage für einen geplanten Kulturwandel, ohne Motiv, ohne Einsicht in die Notwendigkeit einer Veränderung wird kein Raum für Veränderung gegeben.

3. In einem dritten Schritt können schliesslich Anstösse zu einer ‹Kurskorrektur› gegeben werden. Am effektivsten erweist sich dabei immer das schlichte Andershandeln, das faktische Durchbrechen von Routinen. Allerdings ist in der Praxis zu beobachten, dass sich das Angebot neuer Kulturmuster häufig im Aufschreiben eines neuen Leitbildes erschöpft, das dann kaskadenförmig über die Hierarchie- ebenen ‹heruntergebrochen› werden soll. Dieser Ansatz bleibt meist eine hölzerne Übung, die keine wirklichen Anschlüsse an die faktischen Orientierungsmuster der Organisation darstellt.[2]

Die theoretischen Ausführungen zeigen auf, dass es zum Ersten nicht einfach ist, überhaupt ausfindig zu machen wie das eigene Unternehmen eigentlich ‹tickt›. Zum Zweiten lässt sich dieses ‹Ticken› von Unternehmen schon gar nicht per Anordnung und sofortiger Wirkung verändern. Das alles macht die Sache sehr komplex. Wenn es jedoch gelingt, ausgewählte Puzzlesteine im Bereich der Unternehmenskultur konstruktiv zu nützen, liegt darin ein wirksamer Hebel für eine erfolgreiche Strategieumsetzung.

Grundsätzlich gibt es zwei Wege die Unternehmenskultur im Rahmen der Strategieumsetzung ‹bearbeitbar› zu machen. Die eine Möglichkeit ist es, parallel zur Strategieumsetzung ein eigenes Projekt zum Kulturwandel im Unternehmen zu initiieren. Erfahrungsgemäss sind solche Projekte aufwändig und Erfolgsgarantien gibt es keine. Es gilt eine ähnliche Problematik, wie die oben angesprochene bei der Umsetzung von Leitbildern. Man läuft Gefahr, dass man aus den meist abstrakt formulierten Strategiepapieren keine wirklich greifbaren Ansatzpunkte findet, welche die Denk- und Handlungsmuster der Mitarbeitenden verändern und sich somit auf einer wenig konkreten und schwer greifbaren Ebene bewegt. Die zweite Möglichkeit ist es, das Thema Kulturwandel als integralen Bestandteil des Strategieumsetzungsprozesses zu sehen. Die Bearbeitung der Unternehmenskultur erfolgt dabei gezielt – im kleinen und nicht im grossangelegten Projekt. Und zwar immer dann, wenn es um die Frage geht, was sich im täglichen Handeln der Mitarbeitenden durch die neue strategische Orientierung ändern wird und wie sich die Mitarbeitenden zukünftig zu verhalten haben. Diese zweite Möglichkeit basiert auf den folgenden Überlegungen.

Während bei der Strategieentwicklung die gedankliche Konstruktion der erfolgreichen Zukunft des Unternehmens im Mittelpunkt steht, geht es bei der Strategieumsetzung darum, von der Ebene der gedanklichen Vorstellungen auf die Ebene des Handelns zu kommen. Das bedeutet, dass die ‹strategische Denkarbeit› im gesamten Unternehmen – und somit im täglichen Handeln aller Mitarbeitenden – umgesetzt werden soll.

Der Erfolg der Strategieumsetzung bewegt sich dabei rund um die herausfordernden Fragen der Konkretisierung der Strategie sowie der Kompetenz der Mitarbeitenden, diese Veränderungen zu bewältigen.[3]

Bei der Konkretisierung der Strategie soll es gelingen, von den oftmals vagen und abstrakten Vorstellungen des Strategiepapiers auf die täglichen Arbeitssituationen der Mitarbeitenden einzugehen:
Was konkret ändert sich für mich als Mitarbeiter/in in der täglichen Arbeit?
Was genau ist anders oder neu zu machen?

Dadurch kann bei den Mitarbeitenden Sicherheit erzeugt werden. Werden diese Fragen im Strategieumsetzungsprozess sorgfältig und zuverlässig beantwortet, so erhalten die Mitarbeitenden ein neues Angebot an Orientierungsmustern. Die Mitarbeitenden wissen, wie sie anders zu handeln haben.

Genauso wichtig ist aber auch der zweite Punkt. Wenn Tätigkeiten für Mitarbeitende neu sind oder zukünftig in einer anderen Qualität ausgeführt werden sollen, so setzt das voraus, dass die Mitarbeitenden über die entsprechenden Kompetenzen (= Fähigkeiten) verfügen oder sich diese aneignen. Nur so können sie die Aufgaben erfolgreich bewältigen. Dieses Set an neuen Kompetenzen liefert ebenfalls neue Orientierungsmuster. Die Mitarbeitenden sind befähigt, faktisch anders zu handeln.

Strategieumsetzung in diesem Sinne gedacht, beinhaltet somit immer auch Ansatzpunkte für eine ‹Kurskorrektur› im Bereich der Unternehmenskultur. Alte Handlungsmuster werden hinterfragt, neue Ansprüche formuliert und dabei die Werthaltungen dahinter thematisiert.

Ist es wirklich möglich zu verstehen, wie das Unternehmen in seiner Gesamtheit ‹tickt›? Oder ist es nicht viel eher so, dass man immer nur einzelne Puzzlesteine nachzeichnen kann? Und wenn ja, könnte es dann nicht sinnvoll sein, an den einzelnen Puzzlesteinen zu arbeiten anstatt am grossen Wandel?

Es gibt eine Innenseite der Dinge, die sich ebenso weit erstreckt wie ihre Aussenseite.

T. de Chardin (1881–1955), frz. Theoeloge, Paläontologe u. Philosoph

[1] Schreyögg, G. (1999). Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien. Wiesbaden: Gabler.

[2] Schreyögg, G. (1999). Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien.
Wiesbaden: Gabler.

[3] Dazu: strategieArbeit. Vom gedanklichen Konstrukt zum Handeln im Unternehmensalltag. Manual der Ectaveo, AG.