Handlungskompetenz – was verbirgt sich dahinter?

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Handlungskompetenz – ein beliebtes Wort im Wirtschafts- und Bildungsbereich. Die Wirtschaft fordert es seit langem und der Bildungsbereich verspricht: Handlungskompetente Absolvent/innen! Bildungsmassnahmen werden immer stärker danach beurteilt, ob es gelingt, die entsprechenden in der Praxis benötigten Kompetenzen und nicht wie oft beklagt nur «träges Wissen» zu vermitteln. Diese Forderung wird alltäglich formuliert, nur ist die Umsetzung nach wie vor keine Selbstverständlichkeit. Denn sie stellt eine methodisch-didaktische Herausforderung dar. Letzlich geht es um das Vermögen, die bestehenden Strukturen in der Bildungslandschaft aufzubrechen. Dabei stellen sich Fragen wie: Welche Konsequenzen hat die Forderung nach Handlungskompetenz für die Gestaltung von Lernprozessen, für die Definition von Rahmenlehrplänen, für die Qualifikation von Dozierenden, für die Leitung von Bildungsinstitutionen, für die Lernenden? Und so weiter. Wo wir bei den Fragen sind… – es darf aber auch die Frage an die andere Seite gestellt werden: Welche Verantwortung übernimmt die Wirtschaft, damit im Lernprozess eine Gewinn bringende Vernetzung mit der Praxis stattfindet? Was also verbirgt sich hinter der Forderung nach «Handlungskompetenz» – ist es mehr als nur ein Schlagwort? Wir möchten in diesem Artikel den Schatten etwas aufhellen, den das Wort «Handlungskompetenz» wirft – und dazu anregen, den Faden aufzunehmen, um eine Worthülle mit konkreten Inhalten zu füllen.

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Handlungskompetenz – warum dieses Interesse?

«Kompetenz» und «Berufliche Handlungskompetenz» – diese Begriffe haben seit Beginn der 90er-Jahre Hochkonjunktur, mitsamt der Frage nach ihrer Klassifikation (Erpenbeck & Heyse, 1999),Messung (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2003) und Förderung (Frey, Schäfer, Knoll, & Frey-Eiling,2002). Das Interesse spiegelt sich in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wider, inden zahllosen Erwähnungen in der Praktikerliteratur und bei der Formulierung von Anforderungsprofilenin Stellenanzeigen.Die Relevanz, die «beruflicher Handlungskompetenz» in der heutigen Aus- und Weiterbildung beigemessenwird, lässt sich aus mindestens zwei Perspektiven begründen.

Aus betrieblicher Sicht wird argumentiert, dass die beschleunigten Veränderungsprozesse in der Arbeitswelt infolge neuer Technologien oder infolge globalen Wettbewerbs zu einem quantitativen Anwachsen der Lernanforderungen und qualitativen Veränderungen geführt haben (z. B. Bergmann 2000). Mitarbeiter müssen 1.) zunehmend in der Lage sein, sich auf ständig wandelnde, undefinierte und oftmals neuartige Anforderungen durch selbstgesteuertes Lernen anzupassen, und sie müssen 2.) in der Lage sein, ohne ein langwieriges Einarbeiten und mühsames Kompensieren von Wissenslücken kompetent zu handeln – d. h. die in der Arbeitswelt gestellten Anforderungen möglichst schnell kompetent zu bewältigen. Wer sich an den eigenen Theorie-Praxis-Schock nach der Schule oder der Universität erinnern kann, weiss, dass die dort noch immer dominierenden faktenorientierten und theorielastigen Ausbildungen deutliche Defizite erzeugen.

Aus pädagogisch-psychologischer Sicht gilt «Handlungskompetenz» als das Hauptkriterium erfolgreichen Unterrichtens – es ist damit ein Gegenpol des viel beklagten «trägen Wissens» (Renkl, 1996). Unter «trägem Wissen» verstehen Fachleute das Phänomen, dass Lernende nach Aus- und Weiterbildung zwar oftmals über Faktenwissen verfügen, dieses Wissen jedoch in komplexen, alltäglichen Situationen nicht abrufen und anwenden können. Das Wissen liegt gewissermassen «träge herum», es entsteht eine Kluft zwischen Wissen und Handeln – was letztlich den Sinn der Bildungsmassnahme völlig in Frage stellt. Daher wird die Vermittlung von Handlungskompetenz inzwischen auch als eines der vordringlichsten Ziele von Aus- und Weiterbildungsmassnahmen angesehen. Es ist anzunehmen, dass Curricula und Ausbildungsgänge in Zukunft immer stärker danach beurteilt werden, inwieweit sie die Lernenden auf die späteren beruflichen Anforderungen tatsächlich vorbereiten – d. h. sie in die Lage versetzen, in der Praxis kompetent zu handeln.

Handlungskompetenz – Eine Umschreibung

Obwohl niemand bestreitet, dass die Vermittlung von Handlungskompetenz von grösster Bedeutung ist, steht interessanterweise eine einheitliche begriffliche Umschreibung, Abgrenzung oder Definition noch aus. Die Begriffe «Kompetenzorientierung» und «Handlungskompetenz» werden in Praxis und Wissenschaft so heterogen verwendet, dass es nicht möglich ist, eine allgemein akzeptierte Definition von Handlungskompetenz zu formulieren.

Gemeinsamer Kern aller Umschreibungen und Definitionsversuche jedoch ist der Bezug auf die Handlungsfähigkeit des Individuums. Dies wird auch deutlich, wenn man die sprachlichen Wurzeln des Begriffs «Kompetenz» betrachtet. «Handeln» bedeutete im Mittelhochdeutschen «mit den Händen fassen» oder «bearbeiten», «competentia» bezeichnete im Lateinischen das «Zusammentreffen von Teilen» oder «die Zuständigkeit». Das lateinische Adjektiv «competere» als «zusammentreffen, stimmen, entsprechen» gibt einen Hinweis auf die Bedeutung des Begriffs im Sinne von «Eignung»: Eine Person kann eine Situation nur dann bewältigen, wenn ihre individuellen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten den situativen Handlungsmöglichkeiten und -erfordernissen entsprechen.

Der Begriff der Handlungskompetenz wird klarer, wenn man sich fragt, was denn genau Personen charakterisiert, die in ihrer Tätigkeit als besonders «kompetent» eingeschätzt werden und einen hohen Expertisegrad besitzen (sogenannte «Experten»): Sie zeichnen sich nach Gruber et al. (2006) durch besondere Merkmale aus.

Umfangreiches Wissen und gutes Gedächtnis. Um beruflich kompetent zu handeln, ist ein umfangreiches und gut strukturiertes, d. h. schnell abrufbares Erfahrungswissen unabdingbar. Der erfahrene Hydrauliker bspw. kennt sich in «seiner» Domaine, den Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, bestens aus, er kann ein hydraulisches Prinzipschema mühelos und schnell interpretieren, er kennt die Anwendungsgebiete und Eigenschaften von Schaltungen, er weiss, wie man die verschiedenen Hilfsmittel einsetzt – kurz: er verfügt über ein ausgeprägtes «Know-how» und «Knowwhat ». Dieses Erfahrungswissen entsteht nicht durch reine Anhäufung von Praxis, entscheidend für seinen Aufbau ist die Reflexion der Praxiserfahrungen: Der Hydrauliker wurde kompetent, indem er seine Handlungen immer wieder überprüfte, sie an Situationen anpasste, sie differenzierte – kurz, indem er sie und sein Handeln reflektierte.

Problemlösefähigkeit und Entscheidungsstärke. Um beruflich kompetent handeln zu können, sind eine hohe Problemlösefähigkeit und Entscheidungsstärke unabdingbar: Der Handelnde muss in der Lage sein, sein umfangreiches Wissen rasch in Handlungen umzusetzen. So zeichnen sich Experten denn auch durch eine ausgeprägte Analysefähigkeit, ein adäquates, elaboriertes Problemverständnis und eine hohe Flexibilität im Einsatz von Lösungsstrategien aus. Das versetzt sie in die Lage, mit neuartigen oder unvorhergesehenen Anforderungen kompetent und flexibel umzugehen.

Verfügbarkeit von Routinen. Experten sind mit einer Vielzahl von Situationen innerhalb ihres Wissensbereichs bestens vertraut. Durch die Handlungsroutinen sind Experten in der Lage, mit wiederkehrenden Anforde-rungen sehr effizient und ressourcenschonend umzugehen. Der Hydraulikexperte wurde zum Experten, weil er sich durch lange, auch mühevolle Übung mit hydraulischen Anlagen bestens vertraut gemacht hat. Er hat Erfahrungswissen aufgebaut, indem er verschiedene Anlagen immer wieder analysiert hat, ihre Komponenten auf die richtige Einbauweise hin überprüft und Typen verschiedener Schaltungen identifiziert hat – kurz: indem er Routinen und Handlungsmuster aufgebaut hat. Damit ist er in der Lage, wiederkehrende Anforderungen schnell und sicher zu bewältigen.

Einbettung in Experten-Gemeinschaften. Neben den besonderen individuellen Merkmalen zeichnen sich Experten auch dadurch aus, dass sie häufig in einen sozialen Kontext mit anderen Experten eingebettet sind. Daher wird oft auf die Bedeutung hingewiesen, Lernenden das «Hineinwachsen in Experten-Gemeinschaften» zu ermöglichen: Durch die Teilnahme an der Lern- und Arbeitswelt von Experten können Lernende die Profis beobachten und ihr Wissen in authentischen Problemsituationen anwenden und vertiefen.

Erfolg
buchstabiert
sich
T-U-N.

Susanne Westphal, dt. Unternehmerin

Handlungskompetenz bedeutet, das Tun mit Sachverstand und Fähigkeit zu unterstützen. Etwas lapidarer formuliert könnte man auch sagen, Handlungskompetenz bedeutet, in den Dingen die man tut, gut zu sein. Gut wird man in den Tätigkeiten, wenn man erlernt, was die Massstäbe sind, welche «gut» definieren. Wer gut ist, in dem, was er tut, wird erfolgreich sein. Da der persönliche Erfolg und die daraus resultierende (Selbst-) Anerkennung wichtig für das Wohlbefinden sind, messen wir der Handlungskompetenz einen hohen Stellenwert bei.