Kompetenzentwicklung im Rahmen der Strategieumsetzung
Jede noch so ausgefeilte Unternehmensstrategie ist wertlos, wenn sie als Papier in der Schublade liegen bleibt und nicht umgesetzt wird. Jeder Strategieentwicklungsprozess muss mit einem Umsetzungsprogramm enden, das die weiteren Schritte beinhaltet. Doch welche Wege gibt es, um eine entwickelte Strategie wirksam werden zu lassen? Um diese Frage zu beantworten, haben wir in den letzten Newslettern eine Reihe von Erfolgsfaktoren beleuchtet: die Rolle der Kommunikation, der Unternehmenskultur, der Führungspersonen und andere.
Heute wenden wir uns einem Ansatzpunkt zu, der uns besonders am Herzen liegt, da wir glauben, dass er besonders vielversprechend ist: Der Kompetenzentwicklung. Strategieumsetzung und Kompetenzentwicklung der Unternehmensmitglieder sind aus unserer Sicht untrennbar miteinander verbunden: Denn richtet sich das Unternehmen strategisch neu aus, ändern sich die Tätigkeiten, Rollen und Verantwortlichkeiten der Mitarbeitenden.
Die Mitarbeitenden vorzubereiten, die neuen Tätigkeiten, Rollen und Verantwortungen zu übernehmen mit anderen Worten: sie kompetent zu machen – ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der abstrakten Strategie ins konkrete Handeln.
Diese Herausforderung erinnert uns an eine anspruchsvolle Wanderung in ein Hochgebirge, wo man noch nie in seinem Leben war: Zunächst entwickelt man eine gedankliche Vorstellung davon, wo man eigentlich hin will. Die Idee: «Wir fahren ins Bergell» reicht hier nicht aus. Zur soliden Vorbereitung gehören Karten im richtigen Massstab, Etappenziele, die Planung der Ausrüstung. Genauso wichtig wie diese Konkretisierung des Vorhabens ist jedoch auch die Entwicklung der Handlungskompetenzen: Sind alle Wanderer fit genug? Mangelt es ihnen etwa an Kondition, Trittsicherheit, Orientierungssinn? Niemand würde ernsthaft das Wagnis einer solchen Tour auf sich nehmen, ohne vorab sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Umsetzung gegeben sind. Man weiss, ohne diese Vorbereitungen kommt man nicht ans Ziel.
Personalentwicklung – ein Dreh- und Angelpunkt für die Strategieumsetzung
Strategieumsetzung ist eine komplexe Aufgabe für das Management eines Unternehmens, da oftmals viele Mitarbeitende involviert bzw. betroffen sind. Um eine nachhaltige Umsetzung der strategischen Massnahmen sicherzustellen, ist es wichtig, bei den Betroffenen die Bereitschaft und die notwendigen Fähigkeiten für die Umsetzung in der Praxis zu erzeugen. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung neuer Kompetenzen bei den Mitarbeitenden, ohne die die Erreichung der strategischen Ziele nicht möglich ist.
Die zentrale Frage in diesem Kontext lautet: Wie kann es gelingen, das tägliche Handeln der Mitarbeitenden systematisch und zielgerichtet auf die strategischen Schwerpunkte auszurichten?
Für die konkrete Umsetzung in der Praxis gibt es verschiedene Instrumente, die sich alle um den Begriff der «Kompetenz» drehen. Dabei werden die folgenden Phasen, die ein Unternehmen bei der Strategieumsetzung durchläuft, unterschieden:
- Phase 1: Strategiekonkretisierung
- Phase 2: Mitarbeiterentwicklung
- Phase 3: Strategisches Controlling
Im Folgenden zeigen wir auf, was diese drei Phasen der Strategieumsetzung bedeuten können.
Phase 1: Strategiekonkretisierung
Sehr oft sind die formulierten Strategien sehr abstrakt in der Sprache des Managements abgefasst. Damit die Strategie für die Mitarbeitenden handlungsleitend wird, ist es wichtig, die strategischen Ziele zu konkretisieren und damit den Bezug zum Arbeitsalltag der Mitarbeitenden herzustellen. Das Ziel der Phase 1 ist es deshalb, die detaillierten Konsequenzen der strategischen Planung bis in den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden zu beschreiben. Die Führungskräfte formulieren damit die Anforderungen an die verschiedenen Funktionen in ihrem Betrieb. Die Mitarbeitenden erhalten klare Informationen darüber, wie die Strategie in ihrem Arbeitsalltag umzusetzen ist.
Die folgenden Schritte sind in dieser Phase wichtig:
Die Konkretisierung der Strategie erfolgt, indem für jede relevante Funktion in der Organisation alle Arbeitssituationen beschrieben werden, die sich als Folge der neuen Strategie geändert haben oder in deren Folge neu entstanden sind. Bei der Beschreibung einer Arbeitssituation werden einerseits die eigentlichen Tätigkeiten und Aufgaben der Mitarbeitenden erfasst, zum anderen aber auch die Verhaltenserwartungen beschrieben, die an die jeweiligen Funktionsträger gestellt werden. Dabei werden sowohl die fachliche Ausführung der Arbeit, der Umgang mit Mitarbeiter/innen und Kolleg/innen, der Einsatz von unternehmensspezifischen Arbeitsinstrumenten, sowie die Betreuung der Kundinnen und Kunden miteinbezogen. Erst durch diese detaillierte Beschreibung wird für die Mitarbeitenden fassbar (und damit bedeutungsvoll), was sich hinter den strategischen Vorhaben verbirgt, welches tägliche Handeln in Zukunft gefragt sein wird.
Die zentrale Frage, welche Handlungskompetenzen ein/e Mitarbeitende/r braucht, um die strategisch bedeutsamen Arbeitssituationen kompetent auszuführen und die Erwartungen zu erfüllen, kann nun von diesen Arbeitssituationen abgeleitet werden. Neben der Beantwortung der Frage «Was muss der Mitarbeitende können?» im Sinne einer Beschreibung des zentralen Verhaltens und des dazu notwendigen Fachwissens, ist auch die Darstellung der in der Arbeitssituation notwendigen Einstellung und Haltung und die Reflexionsfähigkeit für einen ganzheitlich verstandenen Kompetenzbegriff entscheidend[1].
Die Strategiekonkretisierung ist immer ein kommunikativer Prozess zwischen den Mitgliedern des Managements und allfällig einzubeziehender Fachstellen. Es ist wahrscheinlich, dass sie – wenn sie von der Ebene abstrakter Schlagworte auf die konkrete Ebene der Handlung wechseln – zu unterschiedlichen Urteilen darüber gelangen, was Mitarbeitende zukünftig in spezifischen Arbeitssituationen zu leisten haben, denn «Jobs are not entities with a fixed set of requirements; they are interpretations of an objective reality with multiple possibilities[2]». Genau diese Differenz sollte man sich aber zu Nutze machen! Indem man verschiedene Personen aus dem Management am Prozess der Definition der Arbeitssituationen beteiligt, nimmt man deren Sichtweisen auf und kann sie in einem gemeinsamen Validierungsprozess verdichten. Dadurch nutzt man einerseits das Wissen verschiedener Kaderstufen zur idealen Ausführung eines Jobs. Andererseits beteiligt man diejenigen, die für die Strategieumsetzung die Hauptverantwortung tragen, an der Konkretisierung der Strategie. Sie wirken gewissermassen als «Strategieübersetzer/innen» mit. Man mobilisiert die Führungskräfte, sich mit der Strategie auseinanderzusetzen, fördert deren Verständnis, und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Strategie akzeptiert, also übernommen wird.
Phase 2: Mitarbeiterentwicklung
Das Ziel der Phase 2 ist, etwas salopp ausgedrückt, die Mitarbeitenden für die Strategieumsetzung fit zu machen. Es findet einerseits ein zielgerichteter und nachhaltiger Kompetenzaufbau statt, der detailliert auf die Herausforderungen im Arbeitsalltag der Mitarbeitenden fokussiert. Andererseits wird auf die schon vorhandenen, individuellen Kompetenzen der einzelnen Mitarbeitenden Bezug genommen, was einen zeitlich effizienten Kompetenzaufbau garantiert. Die abschliessende Messung der Kompetenzen der Mitarbeitenden bringt Transparenz und die Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein.
Die folgenden Schritte sind in dieser Phase wichtig:
Um diese Zielsetzung zu erreichen, werden vier Instrumente bzw. Verfahren eingesetzt:
- Instrument um Kompetenzen sichtbar zu machen
- Instrument zur Kompetenzentwicklung
- Instrument zur Messung der Kompetenzen
- Instrument zur nachhaltigen Förderung der Kompetenzen
Mit dem Instrument 1 «Kompetenzen sichtbar machen» wird diagnostiziert, welche Kompetenzen vorhanden bzw. nicht vorhanden sind und an welchem Punkt mit Entwicklungsmassnahmen effizient angesetzt werden kann. Damit wird sichergestellt, dass die Förderung der Mitarbeitenden zielgerichtet erfolgt. Vorhandene Kompetenzen werden bewusst gemacht und gewürdigt, fehlende Kompetenzen gezielt aufgebaut. Dies ist motivierend für die Mitarbeitenden und für das Unternehmen ein ökonomischer Ansatz der Personalentwicklung.
Mit dem Instrument 2 «Kompetenzen entwickeln» werden auf der Basis der strategischen Kompetenzen transferorientierte, nachhaltige Bildungsmassnahmen aufgesetzt. Das garantiert, dass sich die Entwicklungsmassnahme auf die strategisch relevanten Kompetenzen fokussiert und dafür gesorgt ist, dass der Transfer an den Arbeitsplatz funktioniert. Es ist dabei zentral, dass eine enge Abstimmung zwischen den Personalentwicklungsmassnahmen und der beruflicher Praxis erfolgt, um nachhaltig Handlungskompetenzen aufbauen zu können.
Mit dem Instrument 3 «Kompetenzen messen» werden die strategisch relevanten Kompetenzen gemessen. Sowohl bei der Personalauswahl wie auch bei der innerbetrieblichen Überprüfung der notwendigen Handlungskompetenzen – zum Beispiel am Ende einer Bildungsmassnahme – werden die strategisch relevanten Kompetenzen abgebildet. Dabei geht es immer um die Frage: Verfügen die Kandidat/innen oder Mitarbeiter/innen über die relevanten Kompetenzen, um die zukünftigen Herausforderungen professionell zu meistern? Um diese Frage zu beantworten, muss man geeignete Assessments und Praxisprüfungen mit den entsprechenden Beobachtungsinstrumenten entwickeln.
Mit dem Instrument 4 «Kompetenzen nachhaltig fördern» wird die Entwicklungsmassnahme konsequent mit dem Führungsprozess verknüpft. Dies ist deshalb entscheidend, da es sich gezeigt hat, dass den Führungspersonen im Rahmen der Strategieumsetzung eine zentrale Funktion bezüglich Information und Kommunikation, aber auch bezüglich der konkreten Unterstützung der Mitarbeitenden im Rahmen des Veränderungsprozesses zukommt. Die Linienvorgesetzten erhalten einfache, anwendbare Führungsinstrumente zur Förderung der Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden. Das sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden nach der Entwicklungsmassnahme nicht in alte Handlungsmuster zurückfallen, sondern in der Umsetzung der neuen, strategisch wichtigen Kompetenzen gestärkt werden.
Die vier dargestellten Instrumente greifen ineinander – zusammengesetzt bilden sie einen integrierten, ganzheitlichen Ansatz der Personalentwicklung bzw. des Human Resources im Kontext der Strategieumsetzung. Strategieumsetzung ist Aufgabe des Managements. Deshalb wird die Phase 2 der Strategieumsetzung unter der Schirmherrschaft des Topmanagements entwickelt.
Phase 3: Strategisches Controlling
Phase 3 beinhaltet die Überprüfung der umgesetzten Massnahmen. Die Basis für die Beurteilung knüpft an den Ergebnissen aus der Phase 1 an. Das schliesst Willkürlichkeiten aus und erlaubt eine konsistente Bewertung.
Die oben dargestellten Massnahmen sind kein Selbstzweck, sondern müssen einen nachweisbaren Beitrag zur Umsetzung der Strategieziele leisten. Es muss nachgewiesen werden, welchen Beitrag die Instrumente für die Strategieumsetzung geleistet haben, wo Mehrwert entstanden ist, und wo noch Optimierungsbedarf besteht. Deshalb schliesst eine systematische Strategieumsetzung mit einer Wirkungskontrolle ab.
Die folgenden Schritte sind in dieser Phase wichtig:
Die Wirkungskontrolle kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden[3]: Man kann die Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit einer Massnahme erheben, den Lernerfolg nach einem Seminar messen, den Transfererfolg oder den Unternehmenserfolg evaluieren. Entscheidend beim strategischen Controlling ist es, sichtbar zu machen, ob das gewünschte Verhalten in der Praxis sichtbar wird und welche Ergebnisse damit erzielt werden.
Fazit
Eine der zentralen Herausforderungen im Rahmen der Strategieumsetzung ist die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden. Dadurch erhält die Personalentwicklung – in Zusammenarbeit mit dem Management – eine bedeutende Rolle. Dabei ist es wichtig, nicht nur punktuelle Massnahmen zu setzen, sondern eine ganzheitliche Herangehensweise zu wählen.
Der Kern einer erfolgreichen Strategieumsetzung liegt darin, die einzelnen Massnahmen nicht losgelöst voneinander zu sehen. Alle Massnahmen haben sich stringent an den in der Phase 1 entwickelten Kompetenzen auszurichten. Im Weiteren sind die Personalentwicklungsmassnahmen strukturiert und somit konsequent mit dem Führungsprozess zu vernetzen.
Die Voraussetzung für eine systematische Umsetzung des dargestellten Prozesses ist ein Management, das sich an der inhaltlichen Ausgestaltung aller Phasen aktiv mitbeteiligt und die dafür notwendigen Ressourcen bereitstellt. Der Aufwand ist hoch, der Erfolg aber umso nachhaltiger!
Sobald jemand in einer Sache Meister geworden ist, sollte er in einer neuen Sache Schüler werden.
Gerhart Hauptmann (1862-1946), dt. Dichter
[1] Vgl. Manual: Kompetenzmodellierung im Rahmen der Bildungsbedarfsanalyse – Der erste Schritt zur Handlungskompetenz.
[2] Sanchez, J.I. (2007): What the Difference Between Job Analysis and Competency Modeling Is (Or Should Be)? Vortrag auf dem Wissenschaftskolloquium der Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Zürich am 22.05.2007
[3] Kirkpatrick, D.L. (1998): Evaluation Training Programs. The Four Levels. San Francisco: Berret-Koehler Publishers