Strategien in Unternehmen wirkungsvoll umsetzen
Im Rahmen unseres Schwerpunktthemas interessieren wir uns für die Frage, wie Strategien in Unternehmen wirkungsvoll umgesetzt werden. Die dazu durchgeführten Recherchen zeigen, dass die Fachliteratur ihren Fokus bevorzugt auf die Formulierung und Entwicklung der Strategie legt. Die Strategieentwicklung wird als die Königsdisziplin der Unternehmensführung und als eine der zentralen Aufgaben des Topmanagements dargestellt. Fragen zur wirkungsvollen Umsetzung der Strategie werden in der Fachliteratur zum grossen Teil ausgeklammert.
Uns erinnert diese Sichtweise an wunderschöne, strahlende Herbsttage, die zu grossen Wanderungen einladen. Kennen Sie die Folgen, die daraus entstehen, wenn man eine grosse Wanderung etwas unbedacht angeht? Man hat von einem Ausflugsziel mit wunderbarer Aussicht gehört. Die Route wird festgelegt, Freunde zur Wanderung eingeladen, ein erster Check der Wanderausrüstung ist erfolgt. Man erklimmt den Berg, steckt die ganze Kraft und Energie in den Aufstieg, geniesst schon beim Aufstieg die schönen Herbstwiesen, spürt ein erstes Mal das prickelnde Gefühldes Erreichten. Jedoch, die verbleibenden Kräfte in den Beinen reichen nur noch knapp für den Weg zum Gipfel aus. Um wieder heil ins Tal zu kommen, braucht es die letzten Energiereserven und die überanstrengten Glieder schmerzen noch Tage später.
So wie es gilt, sich die Kraft und Energie für die ganze Wanderung einzuteilen so gilt es auch, für den gesamten Prozess der Strategiebildung, also für die Formulierung und die Umsetzung der Strategie, genügend Kraft und Energie aufzubringen.
Erfreut stellen wir fest, dass die kürzlich erschienene Jubiläumsausgabe des Harvard Business manager [1] (100 Jahre Harvard Business School) der Strategieumsetzung etwas mehr Beachtung schenkt: «Wenn die Strategie dem Unternehmen eine dauerhaft verlässliche Orientierung geben soll, muss das Topmanagement sie formulieren und über ihre Umsetzung wachen. […] Egal ob es um die Formulierung einer neuen oder die Umsetzung einer bestehenden Strategie geht – es ist ine anstrengende Aufgabe, die nicht von der Leitung des Unternehmens zu trennen ist.»
Werfen Sie mit uns einen Blick auf diese anstrengende Aufgabe!
Zentrale Rahmenbedingungen und Bausteine im Prozess der Strategieumsetzung
Die erfolgreiche Implementierung einer Unternehmensstrategie ist immer mit Veränderungen im Arbeitsalltag der jeweiligen Organisation verbunden. Die Veränderungen zeigen sich zum Beispiel in Prozess- oder Strukturanpassungen, veränderten Arbeitsabläufen oder angepassten Verhaltensweisen der Mitarbeitenden. Die Veränderungsbemühungen stossen selten auf offene Ohren bei den Betroffenen und bewirken vorerst Widerstand. Die vorherrschenden Verhältnisse verstärken sich. Die grosse Herausforderung bei der Implementierung von Veränderungen ist, die bestehenden Routinen im Arbeitsalltag zu durchbrechen und Raum für neue Denkweisen, Einstellungen und Verhaltensweisen auf der Ebene der Betroffenen zu schaffen.
Die Leitfrage im Rahmen des gesamten Prozesses der Strategieumsetzung lautet somit:
Wie können die beabsichtigten Veränderungen in einer Unternehmung wirkungsvoll und nachhaltig im Arbeitsalltag umgesetzt werden? Gefragt ist ein Vorgehenskonzept für den Strategieumsetzungsprozess, welches Ansatzpunkte für die Umsetzung der strategischen Zielsetzungen im Arbeitsalltag konkretisiert. Einerseits sind im Vorgehenskonzept gewisse Rahmenbedingungen zu beachten, damit die Umsetzungsarbeit nachhaltig im Unternehmen verankert werden kann. Andererseits können verschiedene betriebliche Funktionen oder Bereiche eine wesentliche Rolle bei der Strategieumsetzung spielen, wenn eine konsequente Koppelung an die strategische Planung erfolgt. Bevor die konkreten Ansatzpunkte in den verschiedenen betrieblichen Bereichen beschrieben werden, wird ein Blick auf wichtigen Rahmenbedingungen bei der Strategieumsetzung geworfen.
Die Rahmenbedingungen werden anhand von drei zentralen Thesen beschrieben.
These 1: Erfolgreiche Strategieumsetzung bedeutet konsequente Führungsarbeit.
These 2: Strategieumsetzung ist immer auch Veränderungsmanagement.
These 3: Strategieumsetzung bedingt eine aktive Kulturarbeit.
Und was bedeutet dies nun im Detail?
These 1: Erfolgreiche Strategieumsetzung bedeutet konsequente Führungsarbeit.
Damit die strategischen Zielsetzungen tatsächlich umgesetzt werden, genügt es nicht, sie «nur» auf der Ebene des Topmanagements zu entwerfen. Vielmehr müssen die daraus abgeleiteten Konsequenzen im Arbeitsalltag verankert werden. Eine wirkungsvolle und nachhaltige Umsetzung betrifft meist alle Mitarbeitenden. Damit diese ihren Beitrag zur Strategieumsetzung leisten können, ist es unabdingbar, dass den Betroffenen die notwendigen Informationen zu den anstehenden Veränderungen – die ihren Arbeitsalltag betreffen – vermittelt werden. Um dies zu gewährleisten, bedarf es einer aktiven und situationsgerechten Kommunikation der strategischen Überlegungen. Diesen Prozess wirkungsvoll zu gestalten, kann nicht allein als Aufgabe der Kommunikationsabteilung verstanden werden. Im Gegenteil, sie ist eine zentrale Aufgabe des Führungsteams.
Neben einer adäquaten Kommunikation ist eine detaillierte Umsetzungsplanung auf der Ebene der Mitarbeitenden von grosser Bedeutung. Erst die Umsetzungsplanung bewirkt, dass die strategischen Ziele, Beschlüsse, Leitlinien und Vorgaben zu wirklichen Handlungszielen werden – Ziele also, an denen die einzelnen Mitarbeitenden ihr konkretes Handeln ausrichten. Ohne die Umsetzungsplanung verpufft jedes Veränderungsvorhaben.
Wird das Veränderungsvorhaben einmal verkündet, braucht es eine konkrete Umsetzung mit fassbaren Zielen und Beschlüssen für die Umsetzung. Der Schwung aus der Strategieentwicklung sollte bis in die Umsetzung mitgenommen werden. Es reicht nicht aus, eine ungefähre Stossrichtung der Umsetzung festzulegen. Auch diese Aufgabe liegt in den Händen der verantwortlichen Führungspersonen. Sie überwachen die Planung und die Realisierbarkeit der entsprechenden Umsetzungsplanung und begleiten die verschiedenen Umsetzungsschritte im Alltag.
Anforderungen an den Prozess
Die Herausforderungen zeigen sich dabei auf mehreren Ebenen:
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Die Führungspersonen haben eine zentrale «Mittlerfunktion» zwischen Topmanagement und Mitarbeitenden. Es geht darum, die vorerst abstrakten Vorstellungen der Strategie mittels Konkretisierung auf einzelne Abteilungen und Funktionsbereiche herunter zu brechen.
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Es gilt einen Prozess zu initiieren, der die Übersetzung der Strategie in das tägliche Handeln der Organisationsmitglieder erlaubt. Dem Einbezug der Mitarbeitenden ist dabei viel Gewicht beizumessen.
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Führungspersonen sind im gesamten Veränderungsprozess die zentralen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren. Sie initiieren den Dialog mit den Mitarbeitenden.
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Eine regelmässige Erfolgskontrolle zur Umsetzung – gemeinsam mit den Mitarbeitenden – erlaubt eine Steuerung und eröffnet wertvolle Möglichkeiten zum organisationalen Lernen.
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Führungspersonen haben gerade in den Phasen der Veränderung eine Vorbildfunktion. Seitens der Mitarbeitenden wird besonders kritisch hinterfragt, ob Eigeninteressen eine Rolle spielen bzw. ob die Führungspersonen bereit sind, sich selbst dem Wandel zu unterziehen. Dieser Skepsis können Führungspersonen durch vorbildliches Handeln im Sinne der Strategie aktiv begegnen.
These 2: Strategieumsetzung ist immer auch Veränderungsmanagement
Die erfolgreiche Umsetzung von strategischen Zielsetzungen geht, wie schon beschrieben, immer mit Veränderungen im Arbeitsalltag einher. Diese Veränderungen zeigen sich in den unterschiedlichsten Formen. So geht es beispielsweise um:
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Anpassungen der Einstellungen und des Verhaltens der Mitarbeitenden
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Neue Führungsstrukturen und -systeme
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Veränderte Prozesse
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Erschliessen von neuen Märkten mit neuen Produkten
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Implementierung von alternativen Technologien
Eine wirkungsvolle Gestaltung der Umsetzung im Sinne eines Veränderungsprozesses ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der strategischen Zielsetzungen. Nun zeigen Studien jedoch auf, dass bei einer beträchtlichen Anzahl an Veränderungsprojekten die Zielsetzungen nicht erreicht werden.
Gesicherte Erkenntnisse zeigen, dass der Schlüssel zum Erfolg in der Art und Weise der Einführung dieser Veränderungen liegt. Somit ist es wichtig, ein besonderes Augenmerk auf die Gestaltung des Strategieumsetzungsprozesses zu richten.
Anforderungen an den Prozess
Die Herausforderung für das Management erfolgreicher Veränderungsvorhaben – und somit auch für das Management von Strategieumsetzungsprozessen – zeigt sich an folgenden Punkten:
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Bei komplexen Veränderungsprojekten besteht die Gefahr, dass der gesamthafte Fokus des Wandels aufgrund der Vielzahl an Teilprojekten verloren geht und es deshalb keine eigentliche Dramaturgie gibt.[2] Eine Einheitlichkeit in der Dramaturgie ist jedoch ein entscheidender Faktor.
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Bei Veränderungsvorhaben kommt es zu Widerständen auf der Ebene der Mitarbeitenden und auf der Ebene der Organisation. Zum einen zeigen sich Widerstände darin, dass die Betroffenen wenig Bereitschaft zeigen eingespielte Routinen zu verlassen, da ihnen diese Sicherheit geben. Zum anderen können Veränderungsvorhaben als politischen Prozess betrachtet werden, bei dem es um das Aushandeln neuer Positionen und somit auch um die Umverteilung von Macht geht.[3] Diesen Widerständen ist professionell zu begegnen.
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Veränderungsvorhaben scheitern nicht unbedingt an sachlich-fachlichen Barrieren, vielmehr liegen die Probleme oftmals im Bereich der Unternehmenskultur. Es ist somit eine aktive Kulturarbeit vorzusehen.
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Veränderungsvorhaben sind dann erfolgreich, wenn eine aktive Beteiligung aller Betroffenen erfolgt, damit die Neuerungen Bestandteil der eigenen Lebenswelt werden. Die Prozessgestaltung hat darauf Rücksicht zu nehmen.
These 3: Strategieumsetzung bedingt eine aktive Kulturarbeit.
Neben Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit der einzelnen Mitarbeitenden, spielt im Rahmen der Strategieumsetzung die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle. Die Unternehmenskultur umfasst die Summe aller Werte und Normen, Denk- und Verhaltensmuster, Annahmen über Menschen, das Führungsverständnis und dergleichen mehr. Die Mitarbeitenden einer Organisation orientieren sich an diesen Wertvorstellungen, manchmal bewusst zu einem grossen Teil aber unbewusst. Die Unternehmenskultur legt somit die Basis für das tägliche Handeln, führt zur Bildung von Routinen und bietet den Mitarbeitenden die Sicherheit sich «richtig» zu verhalten.
Somit ist die Strategieumsetzung oftmals eng verknüpft mit der bestehenden Unternehmenskultur. Die Umsetzungsprozesse sind mit Änderungen verbunden, die möglicherweise mit den bisherigen Einstellungen bzw. den vorherrschenden Werten und Normen nicht mehr oder nur schwer vereinbar sind. Stellen Sie sich vor, ein öffentliches Amt formuliert als strategischen Schwerpunkt ‹Kunden- und Dienstleitungsorientierung›. Die bisherige Kultur ist geprägt von einer Verwaltungsmentalität. Der neue strategische Schwerpunkt beinhaltet kundenfreundliche Öffnungszeiten, schnelle Bearbeitungszeiten, eine ansprechende Internetplattform, ein Lächeln für die Kundin oder den Kunden. Veränderungen im Alltag müssen initiiert werden.
Die alten Weltanschauungen wirken jedoch machtvoll und können das Neue blockieren. Sie funktionieren oftmals im Verborgenen, haben sich in Strukturen und Prozessen verfestigt und sind gar nicht so einfach zu erkennen und zu bearbeiten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man auf die Thematisierung der alten Werte verzichten kann . Oftmals haben – auch als klein eingeschätzte – Veränderungen im kulturellen Bereich eine grosse Auswirkung auf die Handlungsebene der Mitarbeitenden.
Anforderungen an den Prozess
Die Herausforderung zeigt sich in mehreren Dimensionen:
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Die Leitplanken, welche die Unternehmenskultur für das tägliche Handeln der Mitarbeitenden vorgibt, liegen nicht unbedingt auf der Hand und sind schwer ausfindig zu machen. Diese schwierige «Fassbarkeit» führt dazu, dass deren Einfluss auf den Veränderungsprozess vernachlässigt bzw. unterschätzt wird. Die Unternehmenskultur ist aktiv bei der Strategieumsetzung zu berücksichtigen.
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Methoden, Techniken, Ansätze, Konzepte und Instrumente zur bewussten Kulturarbeit im Unternehmen sind nicht verbreitet. Im Gegensatz dazu sind die finanziellen Führungssysteme oftmals bis ins letzte Detail ausgeklügelt. Bei der Strategieumsetzung ist die Kulturarbeit mit konkreten Methoden, Konzepten und Instrumenten zu gestalten.
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Generell kann bei umfassenden Veränderungsprozessen keine generalstabsmässige Planung vorgesehen werden. Organisationen verfügen über einen gewissen «Eigensinn». Es geht darum, je nach Situation und Entwicklung angemessene Vorgehensweisen zu finden. Aus diesem Grund ist eine stetige Begleitung der Umsetzung im Sinne eines regelmässigen Checks zur Anschlussfähigkeit an die Unternehmenskultur vorzusehen. Diesen Check nehmen mit Vorteil die Führungskräfte wahr.
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Gezielte Kulturarbeit kann nicht an eine Person oder eine Abteilung delegiert werden, vielmehr verlangt es das Zusammenspiel und den Einsatz vieler beteiligter Akteure im Unternehmen.
Wie vorne schon erwähnt, gibt es verschiedene Ansatzpunkte, um die Strategieumsetzung im Alltag zu organisieren. Die folgende Übersicht zeigt verschiedene Bausteine der Strategieumsetzung auf.
Gott gibt die Nüsse, aber er beisst sie nicht auf.
Johann Wolfgang von Goethe, (1749-1832), dt. Dichter
[1] Montgomery, C. A.: Die Rückkehr der strategischen Führung. In: Harvard Business manager, Mai 2008.
[2] Müller-Stewens, G., Lechner, Ch. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen: Der St. Galler General Management Navigator. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
[3] Müller-Stewens, G., Lechner, Ch. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen: Der St. Galler General Management Navigator. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. S.578ff.