Kommunikation in der Strategieumsetzung

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Vielleicht gehören auch Sie zu den Menschen, die für das jeweils neue Jahr gute Vorsätze haben? Mehr Bewegung, mehr Bücher lesen, sich bewusster ernähren, weniger Wochenendarbeit, mehr Zeit für die Familie etc. Jede und jeder von uns weiss, wie schwierig es ist diese gedanklichen Vorstellungen im alltäglichen Handeln umzusetzen, denn dazu müssen wir erst unsere Gewohnheiten und Verhaltensmuster durchbrechen.

Auch Unternehmen haben gute Vorsätze, wenn auch nicht unbedingt nur zu Jahresbeginn. Im Rahmen der Strategiearbeit denken sich die Manager/innen die erfolgreiche Zukunft ihres Unternehmens! Ähnlich wie bei unseren persönlichen Vorsätzen für das neue Jahr ist es auch für Unternehmen sehr herausfordernd ihre «Strategie-Vorsätze» tatsächlich zu verwirklichen. Dabei gilt es von der Ebene der gedanklichen Vorstellungen auf die Ebene der Handlungen zu kommen. Denn letztlich geht es darum, die strategische «Denkarbeit» im gesamten Unternehmen – und somit im tagtäglichen Handeln aller Mitarbeiter/innen – umzusetzen. In diesem Sinne kann die Strategieumsetzung als Transformationsprozess verstanden werden, der vom Denken zum Handeln führt.

Auch wenn man den Eindruck hat, dass Strategien «umsetzungsreif» sind, so zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass es meistens noch viel an Arbeit braucht bis die strategische Ausrichtung für das Unternehmen und für die Mitarbeiter/innen handlungsleitend wird.

Ein wesentlicher Schritt in dieser Phase der Strategieumsetzung wird über eine erfolgreiche und wirkungsvolle Kommunikation innerhalb des Unternehmens gesteuert. Wir zeigen Ihnen einige entscheidende Faktoren in der Unternehmenskommunikation auf, die dazu beitragen all die guten «Strategie-Vorsätze» Wirklichkeit werden zu lassen.

Die interne Kommunikation ist im Prozess der Strategieumsetzung eine zentrale Aufgabe eines Unternehmens

Egal welche Befragungen oder Forschungsstudien man nimmt – die Kernaussage ist immer wieder: Misslingen unternehmerische Veränderungsprozesse oder die Umsetzung der Strategie, ist häufig unzureichende Kommunikation die Hauptursache. Fehlender Austausch, widersprüchliche Zielvorstellungen, ein mangelhaftes Verständnis sind in 70 Prozent aller Fälle für ein Scheitern komplexer Change-Prozesse verantwortlich.[1] Die Strategieumsetzung ist im Betrieb häufig kein zentrales Thema, sie ist nicht präsent, sie geht im turbulenten Betriebs- und Konzernalltag unter – oder sie wird den Mitarbeitenden nicht genügend erklärt.

Eine Längsschnittstudie von Zook und Allen (2001) zeigt beispielsweise, dass sieben von acht Unternehmen trotz klarer Strategiekonzepte ein profitables Wachstum verfehlten.[2] Die Unternehmen waren nicht in der Lage, ein jährliches reales Wachstum von 5.5 Prozent bei Umsatz und Gewinn zu verwirklichen, obwohl detaillierte Strategiepläne weitaus höhere Zielsetzungen definierten. Warum wurden die Ziele nicht erreicht? Woran scheiterte die Strategieumsetzung? Norton und Kaplan (2006), die Erfinder der Balanced Scorecard, führen dieses Scheitern auf eine mangelhafte Verbindung zwischen Strategieplanung und Strategieumsetzung zurück.[3] Die «mangelhafte Verbindung» wird deutlich, wenn man Mitarbeitende nach den strategischen Zielen ihres Unternehmens fragt: 95 Prozent der Mitarbeiter/innen kennen die Strategie ihres Unternehmens nicht oder verstehen sie nicht.

Es liegt auf der Hand, dass unter solchen Voraussetzungen die Strategiekonzepte «umsetzungsreif» in der Schublade liegen, effektiv aber nicht umgesetzt werden können. Wie lässt es sich aber erreichen, dass die Mitarbeitenden, und zwar auf allen Unternehmensebenen, die Strategie kennen und verstehen? Wie kann man die Voraussetzung schaffen, dass Mitarbeitende erfolgreich an der Umsetzung mitwirken können?

Stolpersteine bei der Strategieumsetzung

Bevor wir Lösungsansätze skizzieren, schauen wir uns zunächst einige Stolpersteine der Strategievermittlung
an.

Stolperstein 1: Die Strategie wird unklar kommuniziert
Die Strategie wird im Managerjargon verklausuliert verkündet, anstatt für die Mitarbeitenden verständlich erklärt zu werden.
Die Zielsetzungen, die den Wünschen der Unternehmensleitung entsprechen und mit den Forderungen externer Shareholder abgestimmt sind, werden oft verklausuliert verkündet. Es dominieren Aussagen im Managerjargon. Begriffe wie «profitables Wachstum», «Internationalisierung», «Fokussierung des Produktportfolios» sind für die Mitarbeitenden jedoch überwiegend inhaltsleer. Hier muss Übersetzungsarbeit geleistet werden. Strategieumsetzung bringt immer einen hohen Erklärungsbedarf mit sich. Das Topmanagement muss erklären, was die Strategie ist und vor allem, warum sie für das Unternehmen gut ist. Es braucht einen Strategiediskurs, in dem die Strategie den Mitarbeitenden in einem Dialog, in einem Diskurs verständlich und nachvollziehbar vermittelt wird.

Stolperstein 2: Die Strategie wird abstrakt kommuniziert
Strategische Zielsetzungen bleiben abstrakte Schlagwörter, sie haben mit dem konkreten Handeln im Arbeitsalltag wenig zu tun.
Strategische Zielsetzungen, die nicht auf die konkrete Handlungsebene übersetzt werden, bleiben im konkreten Arbeitsalltag irrelevant. Das gilt insbesondere dann, wenn die strategischen Ziele aus einem Katalog von Appellen und austauschbaren und nichtssagenden Schlagwörtern bestehen wie «Wir müssen kundenorientierter werden», «Serviceorientierung muss unser Handeln durchdringen», «Wir sind die innovativsten im Markt». Was bedeutet «innovativ sein» für das konkrete Handeln eines Firmenmitglieds? Welchen Einfluss hat diese Zielsetzung auf die fachliche Ausführung der Arbeit, im Umgang mit Mitarbeitenden, Kolleg/innen und Kunden, im Einsatz von unternehmensspezifischen Arbeitsinstrumenten, in der Art und Weise der Betreuung der Kundinnen und Kunden – kurzum, wie verändert die Strategie die Rolle eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin im Unternehmen? Welchen konkreten Beitrag die Mitarbeitenden bei der Umsetzung der Strategie zu leisten haben, bleibt im Rahmen der Kommunikations- und Informationsprozesse erfahrungsgemäss offen.

Stolperstein 3: Die Strategie wird wenig überzeugend kommuniziert
Führungskräfte übernehmen die strategische Themenführerschaft nicht.
Gerade die Strategieumsetzung braucht Führungskommunikation: Das Unternehmen verändert sich, die Lage ist unübersichtlich, die Informationen sind unverbindlich, die Verunsicherung ist gross.[4] Statusängste, Gewinner-Verlierer-Konflikte, Veränderungsmüdigkeit und weitere Befürchtungen entstehen. Gerade jetzt müssten Führungskräfte die Themenführerschaft übernehmen: Sie müssten die Strategieumsetzung zu einem zentralen Thema machen, den Diskurs führen, Widerstände ernst nehmen und diskutieren, mit dem Ziel, konkurrierende Sichtweisen und Einzelinteressen
oder Bereichsegoismen auf ein gemeinsames Ziel auszurichten.

Doch ausgerechnet in dieser komplexen Situation, in der die Kommunikation der Führungsebene besonders nötig ist, bleiben Führungskräfte häufig sprachlos. Das gilt insbesondere für das mittlere Management. Mangelnder Informationsvorsprung vor den eigenen Mitarbeitenden, eigene Ungewissheit und fehlende Argumentations- und Sprachregelungen – all das bedeutet eine akute Schwäche der wichtigsten Vermittler im Strategieumsetzungsprozess.

Dazu kommt, dass das Topmanagement der Umsetzung zu wenig Bedeutung beimisst. Die Umsetzung der Strategie geht im Unternehmensalltag unter, sie verliert sich im «Kommunikationsrauschen» des Unternehmens.

Ansatzpunkte

Die «Kenntnis über die Strategie» und das «Verständnis für die Strategie» sind zentrale Ziele, die mit der internen Unternehmenskommunikation bei Strategieumsetzungsprozessen erreicht werden müssen.

Erfolgsprinzip 1: Strategievermittlung ist dialogisch
Die Strategieumsetzung wird zu einem zentralen Gesprächsthema gemacht.
Es klingt trivial, und ist doch nicht selbstverständlich: Strategieumsetzung kann niemals nur «Einweg-Kommunikation» sein. Vielmehr braucht es den Dialog zwischen Topmanagement, Führungspersonen
und Mitarbeitenden. In Diskursen entstehen neue Sichtweisen, Unsicherheiten kann begegnet werden, die Antwort auf die Frage «Macht das Sinn?» kann formuliert werden. Das setzt voraus, dass die Verantwortlichen bereit sind, mit den Mitarbeitenden zu sprechen, sich den kritischen Stimmen zu stellen, Ängste und Fragen ernst zu nehmen und ihnen sachlich zu begegnen.

Der Dialog findet nur dann statt, wenn er inszeniert wird. Dies bedeutet, dass kommunikative Anlässe organisiert werden und vor allem, dass der Austausch im Tagesgeschäft so gestaltet wird, dass über das «Neue» diskutiert wird. «Neuigkeiten», die keinen Einzug in den Dialog oder Diskurs eines Unternehmens halten, existieren nicht!

Erfolgsfaktor 2: Strategievermittlung ist konkret
Den Mitarbeitenden wird konkret aufgezeigt, was sie im Rahmen der Strategieumsetzung in ihrem Arbeitskontext tun sollen.
«Wir müssen noch kundenfreundlicher sein!», «Wir müssen noch effizienter arbeiten!» Solche Formulierungen bewirken das Gegenteil von dem, was erreicht werden soll. Statt Motivation herrschen Kopfschütteln und Verständnislosigkeit vor. Denn diese Aussagen sind eher ein Symptom einer inhaltlichen strategischen Leere, als Ausdruck einer genauen Handlungsanweisung. Eine konkrete Handlungsanweisung bedeutet, den Mitarbeitenden handlungsnah und konkret zu vermitteln, welche neuen oder zusätzlichen Erwartungen im Rahmen der Strategie von ihnen erwartet werden. Die Strategieziele müssen auf die Ebene der Rolle beziehungsweise der Verhaltenserwartungen übersetzt werden.

Erfolgsfaktor 3: Strategievermittlung schafft Akzeptanz
Die Strategie wird den Mitarbeitenden erklärt, damit sie akzeptiert werden kann.
Akzeptanz und Identifikation sind die Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse. Voraussetzung dafür ist Verständnis. Die Führungskräfte müssen hier den Löwenanteil der Überzeugungsarbeit übernehmen. Workshop- und Trainingsformate sind in der Hand der HR-Abteilungen und deren didaktische Kompetenz ist wichtig.

Entscheidend ist jedoch nicht nur, wie man die Inhalte vermitteln will (Workshops? Road Shows? Plakate?), entscheidend sind die strategischen Inhalte selber. Gerade hier finden sich oft Widersprüche. So gibt es zum Beispiel Diskrepanzen zwischen den wohlklingenden Vorstandsappellen und der Realität, oder es bestehen komplizierte Interessenlagen zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen. Bei der Vermittlung der Inhalte muss es gelingen, Widersprüche und Zielkonflikte zu thematisieren, aufzulösen und die Akzeptanz für die angestrebte Veränderung sicherzustellen.

Die zentrale Aufgabe der Führung ist es, auf Fragen wie «Warum müssen wir uns eigentlich verändern?», «Was ist das Ziel der Veränderung?», «Welche Auswirkungen hat die Veränderung auf unseren Arbeitsalltag als Führungskraft oder Mitarbeiter/in?» nachvollziehbare und plausible Antworten zu geben. Die Führungskräfte haben nichts Geringeres zu leisten, als die Strategie aus dem verklausulierten Diskurs von Topmanagement und Unternehmensberatung in die (neue) Alltagswelt des Unternehmens zu übersetzen. Es geht darum, aus abstrakten Charts, Konzepten und Vorstandsvorlagen eine erzählbare und anschauliche Geschichte zu entwerfen, mit dem Ziel, die Verständlichkeit des gesamten Prozesses und die Akzeptanz von Führungsentscheidungen in schwierigen Situationen zu sichern.

Kommunikation bei «mangelnder Verbindung» von Strategieplanung und -umsetzung

Die «mangelnde Verbindung» zwischen Strategieplanung und -umsetzung entsteht zwangsläufig, wenn die Strategieumsetzung nicht zum Thema wird. Dieses «zum Thema machen» muss bei allen Akteuren und durch ein enges Zusammenspiel aller zuständigen Bereiche – sei es interne Kommunikation, HR oder Führungskräfteentwicklung – systematisch organisiert werden. Je mehr die Strategieumsetzung zum Thema gemacht wird, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus der abstrakten Strategie konkrete Praxis wird.

Auch Worte sind Handlungen.

Johann Peter Eckermann (1792-1854), dt. Schriftsteller, Sekretär Goethes

[1] E. Dekeeling, D. Barghop (Hrsg.) (2003): Kommunikation im Corporate Change. Massstäbe für eine neue Managementpraxis. Wiesbaden: Gabler. S. 38–47; Mankins, M. C., Steele, R. (2005): Turning Great Strategy into Great Performance. In: Harvard Business Review, 8

[2] Zook, C., Allen, J. (2001): Erfolgsfaktor Kerngeschäft. Berlin: Econ. Die Studie wurde im Zeitraum zwischen 1988 und 1998 durchführt und umfasste 1’854 grosse, weltweite Unternehmen.

[3] Kaplan, R. S., Norton, D. P. (2006): Strategien (endlich) umsetzen. In: Harvard Businessmanager, 1.

[4] E. Dekeeling, D. Barghop, (Hrsg.) (2003): Kommunikation im Corporate Change. Massstäbe für eine neue Managementpraxis. Wiesbaden: Gabler. S. 38–47.