Von Wissensflüssen und Hindernissen
Die Evolution des Wissensmanagements.
Es gibt inzwischen die dritte Wissensmanagementgeneration. Die erste, die etwa bis 1995 bestand, hat sich stark auf den Vorsprung durch Technik verlassen. Der Verlass auf die Technik erwies sich als Flop und so brach eine neue Generation des Wissensmanagements an.
Die zweite Generation war geprägt durch die Entwicklung von Modellen, die – inspiriert von Nonakas SECI Modell (Nonaka, 1991, The knowledge creating Company. Harvard Business Review, 69, 96-104) – zeigten, wie stillschweigendes Wissen zu explizitem werden sollte. Hier kommt der in unserem letzten Artikel diskutierte «Begriff Wissensmanagement» ins Spiel: Für die Vermarktung von IT-Tools war der Bedarf nach einem «Unternehmensgedächtnis» bzw. das Wissen explizit machenden Wissensdatenbanken geradezu ideal. Nun, immerhin wurde diese Generation der Kontextgebundenheit und Notwendigkeit des Austauschs von Wissen gerecht. Sie blieb jedoch zu unspezifisch. Auch das Wirken dieser Generation war von Misserfolgen geprägt, was schliesslich zum Heranwachsen der dritten Generation führte.
Charakteristisch für die aktuelle, dritte Wissensmanagement-Generation ist das Bewusstsein, dass ein Unternehmensumfeld geschaffen werden muss, in dem Wissen sich entwickeln und gedeihen kann. Unterstützende, «intelligente» Arbeitsplatzlösungen sind im Fokus. Man unterscheidet in dieser Generation zwei wegweisende Ansätze: die prozessorientierten und die community-orientierten Ansätze (Gronau, 2009, Wissen prozessorientiert managen, S. 8.). Das Potsdamer Modell von Gronau beispielsweise (vgl. unseren Artikel «Ein Begriff lässt die Hüllen fallen») folgt dem prozessorientierten Ansatz. Wissen wird dabei als personengebunden verstanden und die Geschäftsprozesse werden einbezogen: Das im Laufe der Geschäftsprozesse ausgetauschte Wissen soll transparent gemacht und gefördert werden. Die community-orientierten Ansätze hingegen beschäftigen sich mit betrieblichen Anwendungen von Communities und sozialen Netzwerken.
Beiden Ansätzen der dritten Wissensmanagementgeneration ist der Grundsatz gemeinsam, dass Wissen ausgetauscht werden muss, um erfolgreich genutzt werden zu können. Mit seinem Buch «Mastering Organizational Knowledge Flow: How to Make Knowledge Sharing Work (2010)» verarbeitet Frank Leistner genau diese Idee: Statt managen verwendet er den Begriff «mastering». Er spricht also vom Ermöglichen eines Wissensflusses als Voraussetzung für einen funktionierenden Wissensaustausch. Jedoch geben nach Ansicht des Autors Personen nicht ihr Wissen weiter, sondern bloss Informationen. Denn sobald Wissen aus dem Kontext der Erfahrungen einer Person herausgenommen wird, wird es wieder zu «blossen» Informationen. Im Idealfall wird aus diesen Informationen wiederum neues Wissen.
Das ist also eine Frage, die in der dritten Generation des Wissensmanagements einen wichtigen Stellenwert erhalten hat: «Was bringt Wissen in Organisationen zum Fliessen»? Ob im Soziale-Netzwerke-Ansatz oder in prozessorientierten Ansätzen, im Vordergrund stehen täglich unterstützende Arbeitsplatzlösungen. Doch was, wenn das Wissen nicht fliessen kann, weil Personen ihr Wissen gar nicht erst weitergeben wollen? Grundsätzlich geben Menschen ihr Wissen gerne weiter, schreibt Frank Leistner. Sie teilen ihr Wissen nur dann nicht gerne, wenn sie irgendetwas daran hindere. Unternehmen müssen also die Voraussetzungen schaffen, unter denen ein Austausch von Wissen wahrscheinlicher wird.
Und da ist es nicht mit der Einführung von Microsoft SharePoint oder einer anderen rasch eingeführten Wissensmanagement-Standardmassnahme getan. Vielmehr stehen menschliche Aspekte im Vordergrund, wie z.B. Motivation. Zunehmender Konkurrenzdruck verleitet Mitarbeitende dazu, ihr Wissen nach der Devise «Wissen ist Macht» zu horten. Oder ihnen erscheinen die bestehenden Möglichkeiten, Wissen weiterzugeben, zu kompliziert oder zu zeitaufwändig. Und was beeinflusst die Motivation und das Verhalten von Mitarbeitenden in besonderem Masse? Richtig – die Unternehmenskultur. Während die Unternehmenskultur in den ersten beiden Wissensmanagement-Generationen vernachlässigt wurde, ist in der dritten Generation angekommen, dass Unternehmen für den erfolgreichen Umgang mit Wissen ein Umdenken und gewisse Veränderungen der Unternehmenskultur zulassen und sogar fördern müssen.
Wie können Unternehmen eine Kultur fördern, die den offenen Umgang mit Wissen unterstützt? Was bedeutet dieser Generationenwechsel im Wissensmanagement für die Rolle der Technologie – ist sie zur Nebensache geworden? Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!