Nutzen und Ziele des Wissensmanagements
Die Bedeutung des Faktors Wissen in Unternehmen heute
Viele Unternehmen sind heute „wissensintensiv“, das heisst, ein grosser Teil der Arbeit ist intellektueller Natur und die Mehrheit der Mitarbeitenden ist gut ausgebildet. Das Wissen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist der wesentliche Erfolgsfaktor dieser Unternehmen. Heute spricht man sogar von Wissen als Produktionsfaktor neben den aus der klassischen Volkswirtschaftslehre bekannten Faktoren: Arbeit, Kapital und Boden. Das Besondere an der immateriellen Ressource Wissen ist, dass sie mit ihrer Nutzung nicht aufgebraucht wird, sondern sogar wächst. Allerdings kann sie auch abnehmen, z. B. wenn Mitarbeitende aus dem Unternehmen ausscheiden… und das Wissen mit ihnen. Oder die Ressource liegt brach und verkümmert, wenn das Wissen einfach nicht genutzt wird.
Aber auch für weniger wissensintensive Unternehmen stellt sich die Frage des bewussten Umgangs mit Wissen. Die Prozesse der heutigen Dienstleistungsgesellschaft werden zunehmend komplexer, der Wettbewerb sowie die Wahrscheinlichkeit schwer vorhersehbarer Trends steigen infolge des Anfang der 90er-Jahre begonnenen Globalisierungsprozesses und die emotionale Bindung der Arbeitnehmer, die heute gut vernetzte Coaches in eigener Sache sind, schwindet (vgl. Jänig, 2004, S. 7).
Angesichts der Bedeutung von Wissen für viele Unternehmen und der Entwicklung zur Wissensgesellschaft und Wissensarbeit, setzen immer mehr Unternehmen auf die eine oder andere Form von Wissensmanagement.
Doch was bringt Wissensmanagement eigentlich?
Wissensmanagement-Massnahmen kosten Zeit und Geld. Obwohl der Erfolg von Wissensmanagement schwer direkt messbar ist, gibt es inzwischen verschiedene Ansätze, um Wissen zu bewerten. Sogenannte Wissensbilanzen sollen „die Zusammenhänge zwischen den Zielen, den Geschäftsprozessen, dem intellektuellen Kapital und dem Erfolg eines Unternehmens abbilden“ (Geisser, 2006). Wissen wird hierbei also aus strategischer Sicht betrachtet – es geht um die Bedeutung des intellektuellen Kapitals für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Vornehmlich erstellen Universitäten und – in verschiedenen europäischen Ländern – mittelständische Unternehmen auf politischen Nachdruck Wissensbilanzen. Kritiker stellen den Aufwand im Verhältnis zum Nutzen zur Erstellung von Wissensbilanzsystemen infrage. Es erinnert an die Frage des Controllings anderer immaterieller Werte, wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung, Gesundheitsförderung und Mitarbeiterschulung.
Gehen wir die Frage, was Wissensmanagement bringt, doch zunächst losgelöst von der Messbarkeit an und konzentrieren uns auf den Nutzen, den sich Unternehmen von Wissensmanagement-Massnahmen konkret versprechen.
In Blogs, Websites und Büchern zum Wissensmanagement sind verschiedene Listen zu finden, die aufzählen, was Wissensmanagement für Vorteile bringt. So auch auf der Website Wissensmanagement forum [http://wm-forum.org/wissensmanagement/warum-wissensmanagement/#], einem Zusammenschluss von DissertantInnen im Bereich Wissensmanagement. Hier werden als Nutzen die folgenden Punkte aufgeführt:
- Steigerung der Innovations‑ und Wettbewerbsfähigkeit
- Nutzung brachliegender Wissensressourcen der Organisation
- Vernetzung von ExpertInnenwissen
- Erhöhung der Motivation der MitarbeiterInnen als „MitdenkerInnen”
- Steigerung der Lernfähigkeit der Organisation
- Vermeidung unnötigen Ressourcenaufwands („Das Rad nicht ständig neu erfinden!“)
Ergänzen lässt sich diese Aufzählung z. B. durch die folgenden Faktoren:
- Suchzeiten für wichtige Dokumente verkürzen
- MitarbeiterInnen den Erwerb von neuem Wissen ermöglichen
- Transparenz über Ansprechpartner schaffen
- Kommunikationsfluss zwischen den MitarbeiterInnen verbessern
- Vor Wissensverlust nach Ausscheiden von MitarbeiterInnen schützen
- …
Eine genaue Betrachtung dieser Aufzählung legt nahe, dass einige dieser Punkte auch als Ziele Orientierung bieten können, einer der Punkte mehr als Leitgedanke und ein weiterer als übergeordneter Nutzen zu passen scheinen.
Versuchen wir also, eine Struktur in diese Aufzählung zu bringen. Aufzählungspunkt eins, die Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit, ist sicherlich der übergeordnete Nutzen aller Wissensmanagement-Massnahmen. Denn unabhängig davon, ob deren Nutzen im Einzelfall quantitativ messbar ist, dient der bewusste Umgang mit der Ressource Wissen Unternehmen dazu, im Wettbewerb zu bestehen.
Und wo steht die Steigerung der Lernfähigkeit der Organisation in dieser Struktur? Das bringt uns wieder zu der Frage nach der Beziehung zwischen der lernenden Organisation und Wissensmanagement.
In unserem Artikel „Henne- und Ei- des Wissensmanagements“, hatten wir die Frage aufgeworfen, ob die lernende Organisation das übergeordnete Ziel von Wissensmanagement sei. Das Team von Cogneon (http://www.cogneon.de), Experten im Bereich des Wissensmanagements, spricht sogar von der „Vision“ einer lernenden Organisation, die durch erfolgreiche Wissensmanagement-Massnahmen in einem kontinuierlichen Prozess erreicht wird. Als Vision steht die lernende Organisation im Wechselspiel von Tragen und Prägen: Massnahmen und Ziele werden im Hinblick auf die Vision umgesetzt und gleichzeitig beeinflusst die Vision die Unternehmenskultur.
Die übrigen Punkte aus obiger Liste können als mögliche „Wissensziele“ betrachtet werden. Die „Definition von Wissenszielen“ ist einer der acht Bausteine des Wissensmanagements nach Probst et al. (vgl. z. B. unseren Artikel „Ein Begriff lässt die Hüllen fallen“). Angelehnt an das St. Galler Managementmodell lassen sich nach Probst et al. normative, strategische und operative Wissensziele unterscheiden. Sie sind dazu da festzulegen, in welche Richtung Wissensmanagement-Massnahmen gehen sollen. „Erst wenn konkrete Ziele für organisationales Wissen entwickelt werden, kann organisationales Lernen effizient erfolgen“ (Probst, Raub & Romhardt, 2010, S. 37).
Grafisch dargestellt sieht die Beziehung zwischen Wissenszielen, der Vision und dem Nutzen von Wissensmanagement so aus:
*Begriff der „Vision” einer lernenden Organisation vgl. Cogneon, The Knowledge Company
Auf den Punkt gebracht, geht ein Unternehmen in einem ständigen Entwicklungsprozess entsprechend seinem Selbstverständnis als lernende Organisation zielgerichtet mit Wissen um und bleibt so innovations- und anpassungsfähig.
Häufig als Nutzen einzelner Wissensmanagement-Massnahmen zu findende Faktoren können also hilfreich sein, um Wissensziele des eigenen Unternehmens zu definieren. Haben Sie Wissensziele definiert oder sich mit der Erfolgsmessung von Wissensmanagement auseinandergesetzt? Stösst Wissensmanagement in Ihrem Unternehmen auf Widerstände, da die Entscheidungsträger vom Nutzen (noch) nicht überzeugt sind? Welches ist der Nutzen, den Sie sich von Wissensmanagement erhoffen? Wir freuen uns über Ihren Beitrag!
Literatur
Geisser, C. (2006). Was sind… Wissensbilanzen? Harvard business Manager online, Heft 3/2006, online: 7.5.2009. Retrieved 07.11.2012 from http://www.harvardbusinessmanager.de/heft/artikel/a-621968.html.
Jänig, C. (2004). Wissensmanagement: Die Antwort auf die Herausforderung der Globalisierung, Berlin: Springer.
Probst, G., Raub, S. & Romhardt, K. (2010). Wissen managen. Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, 6. Aufl., Wiesbaden: Gabler.