Aller guten Dinge sind drei: Kompetenzmessung am Moveo #3
In der Ausbildung wird gelehrt, was es im Berufsalltag braucht: Handlungskompetenzen, um fit fürs Arbeitsleben zu sein. So weit, so gut. An der Prüfung fragt man dann aber doch lieber Faktenwissen ab, geht doch viel einfacher. Dass das nicht stimmt, den Berufsleuten gegenüber nicht fair ist und sinnvolle Prüfungsdesigns problemlos umgesetzt werden können, zeigt sich am Moveo zum Thema Kompetenzmessung.
Wenn Lernen sich verändert, muss sich auch Prüfen verändern. Und Veränderungsprozesse sind spannend, aber auch herausfordernd. Petra Hämmerle bringt den bevorstehenden Abend in zwei Sätzen auf den Punkt. Kein Widerspruch, aber das eine oder andere Fragezeichen – vor allem das Wie interessiert die Gäste. Und die Neugier wird nach der Vorstellung der Referenten nicht kleiner: Mit den Polizist/innen und Lokführer/innen sind gleich zwei Kindheitsträume vor Ort. Und die Branche der Kaufleute – in der Grundbildung der beliebteste Lehrberuf der Schweiz – ist mit den HR- und Marketingfachleuten ebenfalls vertreten. Wenn es diese prominenten Berufe geschafft haben, muss es also tatsächlich möglich sein. Aber: Wie?
Die kurze Vorstellungsrunde der Referenten zeigt: Die Rahmenbedingungen waren nicht ideal. Föderalistische Strukturen, ein enormes Mengengerüst, Dreisprachigkeit, ein komplexes Gerüst an behördlichen Auflagen – es braucht Mut, unter diesen Voraussetzungen eine Prüfung zu reformieren. Und natürlich Wissen, Erfahrung, Fingerspitzengefühl, Verhandlungsgeschick und Durchhaltewillen.
In den drei Ateliers kommen die drei Referenten von den Rahmenbedingungen und den grossen Fragen zurück zum Wie. Denn das ist es, was die Gäste wissen wollen: Wie geht das genau? Was macht man konkret? Und warum genau so?
Um den Lokführer/innen Anschluss ans Schweizer Bildungssystem zu gewähren und die Ausbildung aufzuwerten, wird eine kompetenzorientierte Berufsprüfung entwickelt. Beim Wie lässt Felix Traber tief blicken: Er zeigt, wie die verschiedenen Instrumente auf Konvink eingesetzt werden, wie bewertet wird, welche Erfahrungen gemacht wurden. Als er seinen eigenen Reflexionsbericht zirkulieren lässt, hat er die Gäste endgültig in der Tasche. Und natürlich mit den Müsterchen aus dem Alltag: Ein Teilnehmer erwog einen Rekurs, hat diesen nach der Akteneinsicht aber doch nicht angestrebt. Denn: Reflexion und implizites Erfahrungswissen fair und transparent bewerten ist möglich – mit den geeigneten Instrumenten.
Stellen Sie sich vor, Sie werden überfallen. Rettung naht, eine junge Polizistin eilt herbei – bittet den Übeltäter aber nur, doch bitte aufzuhören. Denn: „Ich bin leider noch im Praktikum.“ Sie sehen: Bei hoheitlichen Aufgaben wie der Polizeiarbeit gewinnt der Erwerb von Handlungskompetenz während der Ausbildung nochmals an Bedeutung.
Auf Stefan Aegerter vom Schweizerischen Polizei-Institut kommen mit dem Projekt aber noch ganz andere Herausforderungen zu. Denn: Wie bringt man 28 Korps dazu, sich auf einen eidgenössischen Fachausweis zu einigen?
Die Antwort ist einfach und komplex zugleich: mit den richtigen Umsetzungsinstrumenten, viel Kommunikation, Einbindung und Überzeugungsarbeit. Und sagt: Wenn am Schluss das grösste Problem ist, wessen Logo auf welchem Dokument ist, dann ist das vor allem ein riesiges Kompliment an unser Projekt. Was die Gäste ebenfalls mit nach Hause nehmen: Nach dem Erstellen des Reflexionsberichts und der mündlichen Prüfung sind die Polizist/innen ready für den Einsatz. Und zwar im lauschigen Leukerbad ebenso wie im Zürcher Kreis 4.
Bei den HR- sowie den Marketing- und Verkaufsfachleuten gab es ein Moveo-Novum: Nicht nur ein, sondern gleich zwei Referenten – Andreas Balazs und Christian Gross – präsentieren ihr Projekt. Und diskutieren, was sie warum anders gemacht haben.
Zuerst stellt Petra Hämmerle aber die Gemeinsamkeiten vor: Eine Prüfung mit sehr vielen Expert/innen und noch mehr Teilnehmenden wird kompetenzorientiert. Organisatorisch eine Herkules-Aufgabe. Die aber von beiden Organisationen erfolgreich gemeistert wird.
Christian Gross konstatiert: Durch die Affinität für Bildungsfragen hätten die HR-Expert/innen offen auf die Neuerungen reagiert. Und doch habe man sich von einigen trennen müssen. Das bestätigt Andreas Balazs – auch ohne besondere Affinität für Bildungsfragen.
Ein weiterer Unterschied zeigt sich bei der Verbindlichkeit: Während man den HR-Expert/innen Angebote zur Verfügung stellt, letztlich aber darauf vertraut, dass diese genutzt werden, setzt man bei den Marketing- und Verkaufsexpert/innen vermehrt Kontrollinstrumente ein. Denn: Das konkrete Setting muss an die Kultur des Berufs angepasst werden.
Die Ateliers gaben Einblick in die spannende Umsetzung kompetenzorientierter Prüfungen – kritische Fragen inklusive. Doch gerade die Diskussion mit den Gästen bereicherte den Austausch ungemein. Und zeigte: kompetenzorientiert lernen und prüfen – ja. Aber wie?